Die Quellen für Windprognosen
Diskussionsbeitrag zum Wetterthema von Jörg Graff, 26.12.2013
Die folgenden Ausführungen geben die persönliche Meinung und Erfahrungen des Autors wieder, sie erheben keinesfalls den Anspruch der Unfehlbarkeit. Es geht hauptsächlich um die Fragen:
Wo finde ich brauchbare Wetter- und Windprognosen? Wie zuverlässig und aktuell sind sie?
Hier gibt es die Quellen mit Zeitleisten für festgelegte Orte wie Windfinder, Windguru, Wetteronline etc. und die Quellen mit einer (Wind-)Kartendarstellung wie Poseidon und zyGrib, wobei letztere zusätzlich auch eine Zeitleistendarstellung bietet, und das auch noch für beliebige Orte. Hier werden zuerst die Quellen mit Zeitleistendarstellung beschrieben (1. - 5.), danach die mit Kartendarstellungen (6. und 7.) und als Ergänzung noch die Möglichkeiten, Navtexmeldungen übers Internet zu bekommen (8.). Im Resümee (9.) wird beschrieben: Wie macht er es denn nun?
ist der Klassiker unter den Windvorhersagequellen mit Zeitleistendarstellung für fest vorgegebene Orte. Windfinder liefert zwar auch Windkarten, die aber nur einen groben Überblick bieten. Dafür ist das Netz der Vorhersagepunkte sehr dicht, so dass man fast überall einen passenden Ort in der Nähe findet. Auf der Halbinsel Bodrum/Turgutreis/Türkbükü gibt es allein 10 Vorhersagepunkte, auf Kos sind es 8. Nach meiner Erfahrung sind die Windvorhersagen meistens ganz gut zutreffend, von gelegentlichen Fehlmeldungen mal abgesehen. Man sollte sich also nie auf nur eine Quelle verlassen.
Irritierend ist bei Windfinder die oft heftige Diskrepanz zwischen der normalen „Vorhersage“ und dem zusätzlich angebotenen „Superforecast“. Spontan gefundenes Beispiel: Für den Moment, wo ich diese Zeilen schreibe (17. 12. 2013, 11 Uhr OEZ), sagt die normale Vorhersage für meinen Heimathafen Teos 11 Knoten Wind voraus, der „Superforecast“ bietet hingegen zum selben Zeitpunkt am selben Ort mit 23 Knoten mehr als das Doppelte. Und das ist noch nicht mal eine Prognose für die ferne Zukunft, sondern das Wetter zum Zeitpunkt des Seitenaufrufs. Der „Superforecast“ liegt hier völlig daneben, wie ein Vergleich mit anderen Quellen zeigt. Auch bei früher von mir beobachteten krassen Unterschieden zwischen „Vorhersage“ und „Superforecast“ war die normale Vorhersage die deutlich bessere, trotzdem ist auch sie immer mit Vorsicht zu genießen.
Die tschechische Seite st bei einigen meiner Segelfreunde der Favorit für Windvorhersagen. Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Quelle wenig anfangen kann. Zwar ist die Darstellung vielseitig, man kann zwischen unterschiedlichen Vorhersagemodellen wählen (nur welche ist dann die richtige?), man kann eigene Vorhersagepunkte („Spots“) kreieren und gegen Gebühr kriegt man auch das WRF-9km-Prognosemodell ohne künstliche 12-Stunden-Verzögerung und ohne Werbung angezeigt. Ich habe das einmal für 3 Monate abonniert, konnte aber damit keinen „Mehrwert“ für mich generieren, der über die Informationen aus den anderen - kostenlosen - Quellen hinausging. Da mir das Ganze zu unübersichtlich war und auch die gelieferten Vorhersagen für die Ostägäis recht häufig daneben lagen, habe ich die entsprechenden Bookmarks wieder gelöscht.
Vorteile: - verschiedene Vorhersagemodelle
- man kann eigene Vorhersagepunkte definieren
Nachteile:
- zu unterschiedliche Vorhersagemodelle
- mäßige Vorhersagegenauigkeit
- kostenpflichtige Aktualität bei einigen Modellen
- nicht sehr benutzerfreundliche Navigation
3. Wetteronline www.wetteronline.de
ist ebenfalls ein Klassiker, der in Deutschland auch ganz gute Prognosen liefert, denn zu Hause kommt es auch mehr auf Niederschläge und Temperaturen an. Für eine gute Windprognose in der Levante liefert Wetteronline aber nur wenig Brauchbares, da die Windstärke sowohl zeitlich (in vier Sechsstundenblöcken am Tag) als auch in Auflösung (Bft statt kn) zu grobmaschig angegeben wird. Auch liegen die Windangaben häufig ganz daneben. Allerdings sind die Temperaturangaben deutlich zutreffender als bei Windfinder, aber das ist für Segler eher zweitrangig.
Vorteile: - brauchbare Temperaturangaben
Nachteile: - Windprognosen zu grob und häufig unzutreffend
4. Weatheronline www.weatheronline.co.uk/ ist der britisch „Bruder“ von Wetteronline, der allerdings gelegentlich von den Wetteronline-Prognosen abweicht. Die Windangaben sind in der 24-Stundenanzeige genauer als bei Wetteronline. Es nervt allerdings, dass man bei jedem neuen Seitenaufruf die Einheiten der Windgeschwindigkeit von mph auf kn umstellen muss. Wenn man die (durchaus brauchbare) 24-Stundenanzeige für 48 Stunden haben möchte, benötigt man die kostenpflichtige „Premium Membership“.
Vorteile: - brauchbare Detail-Prognosen für 24 Stunden
Nachteile: - Detail-Prognosen für 48 Stunden kostenpflichtig - nur grobe Angaben jenseits von 24 bzw. 48 Stunden - Windgeschwindigkeits-Einheiten müssen immer wieder neu eingestellt werden
5. Sonstige
Für Griechenland gibt es noch den „Hellenic National Meteorological Service“, der als Ergänzung manchmal ganz brauchbar ist: www.hnms.gr/hnms/english/
An erster Stelle der Windprognosen in Kartendarstellung ist für Griechenland und die angrenzenden türkischen Küsten Poseidon zu nennen, hier z. B. der Link für den Bereich Dodekanes: http://poseidon.hcmr.gr/sailing_forecast.php?area_id=dod
Die Windkarten vom „Hellenic Centre for Marine Research“ decken Griechenland komplett ab und auch die türkische Küste von den Dardanellen bis Marmaris. Man kann Kartenbilder aufrufen für die Nordägäis und Südägäis, sowie die detaillierter dargestellten Bereiche Dodekanes, Kykladen und das Jonische Meer. Leider wird Kastellorizon nicht mit berücksichtigt, und damit entfällt auch die türkische Südküste. Die Windkarten gibt es für die ausgewählte Region für die ersten zwei Tage des Vorhersagezeitraumes im Dreistunden-, für den Rest im Sechsstundentakt. Die Zeitangabe ist in UTC, d. h. man muss im Sommer immer drei Stunden dazurechnen (12 Uhr UTC ist dann z. B. 15 Uhr Lokalzeit).
Die Aktualität hat in den letzten Jahren stark nachgelassen. Während früher jeden Tag ab 9 Uhr Ortszeit die Vorhersagen für den laufenden Tag und die 4 Folgetage vorlagen und mindestens einmal pro Tag nochmals zusätzlich aktualisiert wurden, werden heute die Meldungen - wenn überhaupt - nur noch einmal pro Tag aktualisiert, am Wochenende oft gar nicht. Entsprechend alt und unsicher sind die Prognosen dann. Überprüfen kann man die Aktualität, in dem man sich den Vorhersagezeitraum anguckt. Geht er vom heutigen Tage an über weitere 4 Tage (z. B. am Montag bis Freitagmittag), dann sind die Daten wenigsten tagesfrisch.
Vorteile: - Poseidon berücksichtigt weit mehr als alle anderen Vorhersagen lokale Gegebenheiten wie Windschatten hoher Berge, Windbrechungen an steilen Kaps und Düseneffekte zwischen hohen Inseln. - Die Windprognosen sind - sofern aktuell - mit die zuverlässigsten im Vorhersagegebiet und räumlich sehr differenziert. - Man kann sich die Bilder des gesamten Vorhersagezeitraums bequem als zip-file runterladen und muss nicht die Bilder per Screenshot einzeln sichern, wenn man die Daten für spätere internetlose Zeiten sichern möchte.
Nachteile: - wenige und oft verspätete Aktualisierungen - deckt nur Griechenland ab und die direkt angrenzende türkische Küste
ZyGrib ist ein Viewer, der speziell komprimierte Grib-Daten mit Wetterinformationen in Kartenform oder in Zeitleisten darstellen kann. Dieses Programm ist kostenlos erhältlich für Linux-, Windows- und Mac-Plattformen.
Es gibt auch zahlreiche kostenlose und kostenpflichtige Apps für Android-Tablets/Phones und iPads/Phones, auf die hier nicht eingegangen wird.
Ist das Programm einmal installiert (am schönsten incl. der hochauflösenden Karte, ebenfalls bei zygrib.org zu finden), dann kann man die aktuellen Wetterdaten bei einer vorhandenen Internetverbindung runterladen und anschließend offline mit zyGrib betrachten. Die Wetterdaten stammen bei diesem Programm von der NOAA (National Oceanic and Athmospheric Administration), die u. a. weltweite Wetterdaten sammelt und als Prognosen aufbereitet weitergibt. Das Vorhersagegebiet, das zeitliche und räumliche Raster sowie die gewünschten Teilinformationen kann man vor dem Runterladen auswählen und anschließend abrufen. Da das Kartenmaterial bereits lokal auf dem Computer gespeichert ist, sind die runterzuladenden Datenmengen sehr klein. Der Datensatz für den ganzen Dodekanes mit allen segel-relevanten Daten in der größten geographischen (0,5°) und zeitlichen (3 h) Auflösung und der maximalen Vorhersagezeit (8 d) braucht weniger als 50 kB. Diese geringen Datenmengen könnte man sich notfalls sogar bei exorbitant hohen Daten-Roaming-Gebühren leisten.
Vorteile: - sehr kompakte Datenmengen zum Download - äußerst flexible und detaillierte Darstellungsweisen der Wetterdaten: Kartenbilder für einem Zeitpunkt (wie Poseidon), Zeitleisten für beliebige Orte (ähnlich wie sie von Windfinder u. a. für feste Orte angeboten werden) oder auch Animationen - Aktualisierung der Daten im 6-Stunden-Takt - Vorhersagegebiet rechteckig beliebig zoombar
Nachteile: - lokale geographische Gegebenheiten (z. B. Windschatten hoher Berge oder Düseneffekte) bleiben unberücksichtigt - im Vergleich mit Poseidon weniger präzise im kleinteiligen Nahbereich bis 10 sm Radius
8. Navtex übers Internet
Die Wind- und Wetterprognosen, die man über Navtex erhält, sind - verglichen mit den bisher aufgeführten konkurrierenden Angeboten - wenig ergiebig. Die Vorhersagegebiete (z. B. Nordägäis) sind viel zu grob, um eine detaillierte Törnplanung danach auszurichten. Interessanter sind vielmehr die „navigational warnings“ wie Warnungen vor „gunnery exercises“ und ähnlichen ungemütlichen Ereignissen. Das gehört eigentlich nicht mehr ganz zum Thema „Wetter“, aber durchaus zum Thema „Internet an Bord“, denn man kann auch die Navtex-Meldungen übers Internet bekommen. Deshalb möchte ich sie hier mit anführen.
Die Navtex-Meldungen für die Ägäis kommen für den griechischen Bereich von den Stationen Limnos und Heraklion, auf der türkischen Seite ist Izmir zuständig.
Diese Seiten liefern nicht die Navtex-Meldungen direkt, sondern nur die Links zu den einzelnen Meldungen, die man durch Anklicken von „View“ jeweils sichtbar machen kann. Hier sind alle Meldungen enthalten (wenn man sie nicht wegfiltert), also auch die „meteorological warnings“. Die Daten werden durch Empfang der analog gesendeten Navtex-Meldungen auf dem Berg Hymettos bei Athen gewonnen und enthalten deshalb gelegentlich Übertragungsfehler.
9. Resümee
Bei der Vielfalt der Informationsquellen unterschiedlichster Qualität und Aktualität ist es immer sinnvoll, mehrere Quellen zu betrachten. Meine - bisher bewährte - Methode ist die folgende:
Die Hauptinformation ziehe ich zunächst aus den Grib-Daten, wo ich schnell einen guten Überblick über die momentane und zukünftige Windlage bekomme. Sofern ich in der passenden Region bin und die Daten auch halbwegs aktuell sind, gehört dann Poseidon zu den wichtigsten (und richtigsten) Informationsquellen, insbesondere, wenn es um lokale Details geht.
Es hat sich auf jeden Fall auch gut gewährt, weitere Quellen hinzuzuziehen, z. B. Windfinder (ohne Superforecast), Weatheronline und ggf. die nationalen lokalen Prognosen. Wenn stark unterschiedliche Prognosen von Starkwind vorliegen, dann sollte man sicherheitshalber Häfen oder Buchten aufsuchen, in denen man bei allen prognostizierten Windrichtungen sicher liegt.