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Törnführer aus dem All (1) Mit Google Earth Buchten und Häfen im Norden der Türkei entdecken. Taugt das Programm als Planungshilfe? Wir testen Google Earth an der türkischen Küste - das Experiment soll die Stärken des Programms als Ergänzung zu Seekarte und Törnführern aufdecken. Kaum ist die Idee auf dem Tisch, läuft der gemütlich begonnene Crewabend aus dem Ruder. Zwei Stunden geht es hin und her bis der Skipper den Disput beendet: "Selbstverständlich wir werden wie immer mit Seekarte und Plotter navigieren. Aber wir werden auch versuchen Häfen und Buchten anzulaufen, an denen wir sonst vorbeirauschen würden." Er macht eine Pause, nimmt einen Schluck Rotwein und fährt fort: "Dazu benutzen wir einen Laptop und Google Earth." Wouh! Hansheinrich und die anderen schauen den Navigator an, der offenbar bereit ist, den Skipper zu unterstützen: "Das haben wir noch nie so gemacht, wo kommen wir denn dann hin!", murren sie. Nur Bernd hält dagegen: "Na ja... warum eigentlich nicht?" Die Idee ist so naheliegend wie verführerisch: Google Earth ist inzwischen so ausgereift und powervoll, dass die Erkundung geplanter Segelrouten mit dem Programm eine überzeugende Ergänzung zu allen Revierführern und Seekarten sein kann. Man lade sich das neue Google 4.3 ("Ihr 3D-Blick auf die Erde") auf einen einigermaßen schnellen Rechner. Wählt man unter "Ebenen" die Einstellung "Gelände" aus kann man mithilfe der der Maus, der Tastatur oder dem Trackball gleichmäßig über sein bevorzugtes Segelrevier navigieren und mit wenigen Tastenklicks Buchten und Häfen so ansehen, als ob man direkt darüber fliegen würde. Mit dem "Steuerrad" im Navigator lässt sich die Küstenansicht zusätzlich drehen und wenden wie es einem gerade in den Sinn kommt. Beim virtuellen Abfahren der Route wird schnell klar: Nicht alle Darstellungen aus dem Weltall sind in gleicher Qualität vorhanden. Manche Aufnahmen sind älter und nicht so scharf wie andere neueren Datums. Aber diese werden ersetzt und in nicht allzu langer Zeit dürften die meisten Küsten der Welt in hervorragender Optik "abzusegeln" sein. Unsere Strecke nach Istanbul ist zum größten Teil brauchbar bis sehr gut. Lediglich die weniger dicht besiedelten Gegenden der Nordküste des Golfs von Güllük und ein Teil der Nord- und Südküste des Marmarameeres sind noch etwas unscharf. Für unsere Navigation haben wir alle türkischen Seekarten bis zum Schwarzen Meer an Bord; außerdem einen Raymarin C120 Plotter sowie den neuesten Revierführer "Türkische Küste - Istanbul bis Antalya" von Gerd Radspieler. Google Earth ist die perfekte Ergänzung dazu, weil man die gesamte Route plastisch aus der Vogelperspektive abrufen und bis auf wenige Meter Klippen, Riffe und Untiefen über den Hafen- und Buchten-Einfahrten deutlich erkennen kann. Zum Beispiel ist bei der Ansteuerung der neuen Marina Port Alaçati südlich von Çesme die schmal ausgebaggerte und nicht betonnte Fahrrinne in die tiefe Bucht sehr gut zu erkennen. Freilich ist Google Earth kein Ersatz für Seekarte oder Handbuch. Aber eben eine gute und hilfreiche Ergänzung, die zudem noch riesigen Spaß macht, weil man seine Route dreidimensional abfliegen kann. "Echt wie aus dem Flugzeug, nur viel näher drüber", begeistert sich Bernd. Mitte Juni treffen wir uns in der D-Marina bei Bodrum, packen das Boot mit Melonen, Tomaten und Rotwein voll, und stechen in See, Kurs Nord. Bis zum Bosporus sind es rund 500 Seemeilen, keine allzu große Entfernung auf der Patchwork-Übersicht von Google Earth. Natürlich wissen wir, dass im Sommer der Meltemi von Nord über die Ägäis fegen kann. Aber wir sind ägäis-erprobt und das Boot ist gut ausgerüstet... kein Grund sich groß Gedanken zu machen. Auf dem Kartentisch liegt ein Stapel Google Earth-Ausdrucke in grün-stichigen, meist scharfen Prints, die Navigator Franz mitgebracht hat. Ein verregnetes Wochenende war drauf gegangen, um die nördliche türkische Küste abzugoogeln und von jedem Platz, den er für interessant befand, einen Bildschirmschuss zu machen. Die Positionen hat er nun doppelt dabei: als Farbausdruck auf Papier und als gespeicherte Links im Google Earth-Programm auf seinem Laptop. Mit diesem kann er jederzeit via Bluetooth-Handy und der türkischen Karte des Skippers ins Internet und die Abfrage aktualisieren. Das Experiment kann beginnen. Mal sehen wieviel Gegenwind wir auf die Nase kriegen. Erster Anleger Didyma. Die 22 Meilen packen wir spielend mit 30° hoch am Wind in etwas mehr als drei Stunden. Dort erwartet uns - anders als der Blick aus dem All signalisiert - keine nahezu fertige Marina, sondern eine Baustelle. Google Earth zeigt die Molen der künftigen Supermarina etwas unscharf aus dem Weltall auf 37°20’12.19"N 27°15’16.30"E. Wir gehen in der Bucht neben der halb fertigen Ostmole vor Anker und stellen fest: keine Chance zum Anlegen da wo in Zukunft die Molenfeuer brennen werden, stehen Bagger halb im Wasser und schütten Steine auf, von Stegen keine Spur. Frühestens im Sommer 09 wird diese Marina zum Anlegen bereit sein.
Am nächsten Morgen gibt es den obligatorischen kleinen türkischen Kaffee (schwarz und süß) schon um 5:30. Ein hartes Gegenwindstück liegt vor uns, die Strecke von Kap Tekagaç zur Samosstraße, Kurs nahezu Nord gegen meist 7 oder mehr, die ab mittags von den hohen Bergen der Insel Samos herunterfegen. Wir erwischen zunächst wie gehofft die morgenkühle Ostbrise aus dem Mäandertal, die uns die halbe Strecke nach Norden unter Vollzeug voran bringt. Als am späteren Vormittag die Fallwinde südlich von Samos einsetzen wird gerefft und ein arbeitsintensiver Kreuzkurs bringt uns Schlag um Schlag nach Norden. Gegen Mittag ankern wir in der St. Pauls-Bucht unter dem Mykaleberg südlich der Samosstraße auf 7 m. Der Anker hält nicht sofort, der Boden ist ziemlich verkrautet. Unser Törnführer aus dem All zeigt sehr schön die unpassierbare Felsbarre zwischen der Insel Tavsan und dem Nordufer der Bucht. Kleiner Schock am Vormittag das Meer ist im Juni hier noch verdammt kühl: gemessene Temperatur 19°, gefühlte 15°. Weiter geht es nach einem kräftigen Mittagstoast mit kasar peynir (Käse) und geschmurgelten Tomaten.
Gut zu erkennen auf dem Laptop ist der Ankerplatz vor der Insel Çiftekale Adasi auf 8°02,9'N 26°51,4'E etwas nordwestlich des Kaps Doganbey. Wir erkunden ihn und stellen fest: ein brauchbarer Tagesankerplatz vor einem Sand-Kies-Strand mit einer interessanten Geschichte, die man hier nachlesen kann: klick Bei südlichen Winden kann man sogar auf der Nordseite auf 4 bis 5 Metern ankern. Das kyklopische Mauerwerk auf der knapp 60 Meter hohen Insel soll vom alten Myennesos stammen, ist allerdings auf Google nicht zu erkennen. Als Seeräuberversteck muss diese Ecke ideal geeignet gewesen sein.
Wir können nicht alle Buchten und Häfen anlaufen, verzichten auf Sigacik, wo ein Betreiber für die neue Marina gesucht wird, und segeln an den Buchten der nach Nordwest verlaufenden Küste vorbei, die alle auf unserem Testprogramm einen einladenden Eindruck machen. Am Spätnachmittag steuern wir in der neuen Port Alaçati Marina ein. Unser Google Earth-Ausdruck auf dem Kartentisch zeigt sehr schön die ausgebaggerte Fahrrinne zur Marina; nachts dürfte die Ansteuerung schwierig sein. Wir meiden die Ränder, halten uns in der Mitte und weichen vorsichtig dem hin und her wogende Feld der Surfer aus: die Alaçati Bucht ist wegen des immer kräftig wehenden ablandigen Windes ein beliebtes Eldorado für Brettl-Flitzer. Die Marina liegt zwischen sanften Hügeln, im Hintergrund rotieren über 30 moderne Windräder im Nachmittagswind. Zur Marina gehören ein kleiner Yachtclub, ein Restaurant, ein PC-Raum, gepflegte Duschen und ein 100 To-Travellift. Die Preise sind noch günstig. Zum nahen Ort Alaçati fahren Minibusse und Taxis. Vor dem Hafen kann man ankern. Das französische Lagunen-Domizil Port Grimaud ist das Vorbild für ein "Fischerdorf" mit schicken Häusern, die vom Sohn des franz. Architekten Francois Spoerry konzipiert wurden und irgendwann einmal der Bucht den besonderen Kick geben sollen. Zur Zeit wird noch heftig gebaut.
Nach Çesme ist es nicht mehr weit. Wir kreuzen durch den Meerenge zwischen türkischem Festland und der Küste von Chios, passieren die mitten drin liegenden kleinen Inseln in Lee und erreichen die Çesme Marina. Anders als Google suggeriert, ist die neue Çesme Marina noch nicht fertig. Außer den Stegen mit den Versorgungssäulen und einem Marinero, der das Liegegeld kassiert, wird noch nichts geboten. Im kleinen Marina Office erfahren wir, dass im nächsten Frühjahr alles perfekt sein soll, dafür stehe der Projektentwickler Camper&Nicholsons Marina gerade. Am Sperrholzmodell unter Glas erklärt uns Ilknur Güzel charmant die künftige Anlage wir sind beeindruckt. Da, wo Google im Südwestteil noch freie Parkplätze zeigt, werden die Marinagebäude entstehen. Es wird eine Shopping Mall, eine Sauna, diverse Restaurants und was sonst noch alles an Luxus gebraucht wird geben. Man darf nicht vergessen: zur Zeit entdecken wohlhabende Türken den Yachtsport. Auf den Messen in Istanbul und während der Boatshows an den Stegen der Marinas, verkaufen Jeanneau und Beneteau Yachten en masse. Bei den meisten prangt aus Steuergründen der Heimathafen Delaware mit Stars & Stripes am Heck. Der Luxusanspruch der neuen Eigner ist hoch, ihr seemännisches Können dagegen noch gering. Doch das wird sich bald ändern, überall entstehen Segelclubs und professionelle Segelschulen.
Auf der Seekarte heißt die Insel Karaada, die Einheimischen nennen sie Esek Adasi (Eselinsel), sie liegt nordöstlich von Çesme in der Einfahrt zum Ildir Körfezi, und ist bekannt für die Eselzucht, die dort betrieben wird. Die drei nach Norden einschneidende Buchten an der Südküste sind auf dem Screen von Google deutlich zu sehen; wir entscheiden uns für die mittlere mit dem größten Strand. Eindrucksvoll ist der 3D-Flug über die Insel, auch die kurze Pier ist zu erkennen, an der die Versorgungsboote der Eselzüchter anlegen. Dort steht dann auch das Begrüßungskomitee von über 20 in der Sonne dösenden Eseln gelangweilt herum und wendet sich ab, als wir näher heran paddeln. Auf der Insel wachsen Salbei und Thymian in großen Mengen. Der Ankergrund ist sandig und hält gut gegen die häufig von den Hügeln herab fetzenden Fallböen. Doch davon ist nichts zu spüren: wir erleben hier unsere erste windstille Nacht seit Törnbeginn.
Yeniliman heißt neuer Hafen, obwohl der Hafen schon älter ist und für größere Yachten - wie wir auf unserem Laptop-Screen erkenenn - nur bedingt tauglich. Der Hafen ist bei Goolge Earth gut zu sehen (38°40’18.5 N 26°26’20.4 E). Was der Allblick nicht zeigt ist das verrostet Wrack eines Küstenfrachters, der hier gestrandet ist und schon einige Zeit hoch und trocken verrottet. Das heißt: das Google-Bild ist schon älter als der gestrandete Frachter. Der Hafen liegt günstig an der Nordküste des Kaps Karaburun, das die südliche Einfahrt in den Golf von Izmir bewacht. Hier weht es oft heftig, weshalb Yeniliman für kleinere Yachten ein willkommener Platz sein kann, um besseres Wetter abzuwarten, vor allem, wenn der Kurs nordwärts geht. Wir drehen eine Runde durch das Becken. "Kommt her!", ruft ein Mann in perfektem Deutsch und gestikuliert heftig. Doch da es an der Pier nur 2 m Wassertiefe hat, drehen wir ab und verlassen den freundlichen Platz. Enttäuscht hockt sich der Rufer wieder auf seinen Stuhl im Teehaus unter der Platane. Wer es versuchen will, ankert am besten auf 3 m und macht mit einer Leine zur Innenmole fest. Bei starkem Nordwind muss man vor der Einfahrt mit Grundseen rechnen.
Ein Platz, der in keinem Handbuch steht, ist die Insel Büyükada (38°39’25 N 26°30’53 E) vor dem Hauptort Karaburun an der Nordostseite der Halbinsel - wir entdecken sie zufällig beim Googlescrollen auf unserem Laptop. Wir testen den Platz und siehe da: vor dem Strand hinter der Insel gibt es tatsächlich einen geschützten Platz auf 5 Metern. Dreht der Wind jedoch in der Nacht wie bei uns, muss eine Ankerwache im Cockpit darauf achten, dass das Boot nicht zu weit auf Legerwall kommt. Die Ausbuchtung vor dem Hauptort - ebenfalls auf Google entdeckt, weil im Handbuch nicht beschrieben - bietet sich dann als Ausweichplatz an.
Die vor der Bucht von Foça "schwimmenden" Inseln sehen im Gegenlicht wie schwarzglänzende Mönchsrobben aus (griech. phoka). Das gab dem Orte den Namen, der im Türkischen zu Foça verballhornt wurde. Leider hat der zauberhafte Ort keine Anleger für Besucheryachten, was uns schon bei der Törnplanung mit Google klar wurde. Die wenigen vorhandenen Plätze an der Stadtpier sind von einheimischen Booten aus Izmir belegt. Wir dürfen für ein paar Stunden an der Fähre nach Lesbos längsseits festmachen, müssen dann aber, als sie um 18 Uhr ablegt und um 23 Uhr wieder kommt, für die Nacht in der Bucht auf 12 m Wassertiefe ankern. Foça wäre der ideale Platz für eine weitere Marina. Vielleicht liegt der Plan dafür schon in einer Schublade beim zuständigen Ministerium in Ankara. Sinnvoll wäre das. Der Google-Scan zeigt dass es mehrere geeignete Plätze in der weiträumigen Bucht gäbe.
Je weiter wir nach Norden segeln, desto weniger Yachten und Gulets begegnen uns. Dafür wird das Meer kühler (es muss an der Strömung liegen) und die Liegeplätze werden rarer. Nächster mit Google ausgewählter Ankerplatz ist Çandarli (38°55’86 N 26°55’76 E) im Nordosten des Çandarli Körfezi. Die kräftige Steinmole kann allenfalls Fischerbooten Schutz bieten und Yachten mit weniger als 1,80 m Tiefgang. Das Hafeninnere ist auf 2 Meter ausgebaggert. Wir achten auf die Klippe nordwestlich der Hafeneinfahrt (die auf dem Google-print gut zu erkennen ist) und ankern auf 4 Metern so, dass wir auch bei einer Winddrehung nicht auf der Untiefe landen. Auf der Ostseite der Halbinsel kann man ebenfalls ankern, falls der bati, der Schönwetterwind aus Westen weht. Im Alterturm hieß der Fleck Pitane nach einer Amazone, die sich hier niedergelassen hat. Çandarli wird beherrscht vom venezianischen Kastell. Die einladenden Teehäuser an der östlichen Stadtseite sind ein beliebter Treffpunkt für entspanntes keyif, der türkischen Meditation, bei der man nicht in sich versinkt, sondern wach bleibt und alles ringsum wahrnimmt. Unter den schattigen Pergolas kann man bei süßem çay (Tee) oder heißem türk kahvesi (türk. Kaffee) wunderbar entspannte Nachmittage verbringen. Den Abend genießen wir im Deniz-Restoran auf einer Terrasse über dem Meer mit Blick auf Chios und die untergehende Sonne. Dank an Google, das uns diesen schönen Platz gezeigt hat.
Karibisches Flair stellt sich bei Bademli ein. In der Lagune zwischen den Inseln Garip und Kalem sowie dem nördlichen Einschnitt ist das Wasser stellenweise so türkisfarben wie auf einer Korallenbarre - und wie auf dem Google-Ausschnitt deutlich zu sehen. Die weißleuchtenden Felsen verstärken den Eindruck. Wären die Mandelbäume Palmen und das Zirpen der Zikaden Rhythmen der Ölfass-Combos, fehlte nur noch ein Glas mit kokosmilch-duftender Pinacolada. Wir wechseln zweimal den Ankerplatz, um den Zauber dieses kleinen Paradieses ganz in uns aufzunehmen. Einmal liegen wir bei der Warmwasserquelle, die Hamam genannt wird, und später kurz vor der Sandbarre, die das Meer vom inneren Binnensee trennt (39°00’58 N 26°48’14 E). Dies ist der betörendste Ankerplatz unserer bisherigen Reise und wir genießen es in dem wieder wärmeren Wasser zu schwimmen und den Abend unter dem funkelnden, von keinem Fremdlicht gestörten Sternenhimmel zu verbringen.
So tingeln wir die Küste weiter nach Norden. Die Entfernungen zwischen den Orten werden größer, die Landschaft ist reizvoll: an Backbord die Kulisse der griechischen Insel Lesbos, an Steuerbord die hohen Berzüge der türkischen Küste. Highlight in dieser Ecke: Ayvalik. Auffallend ist bei Google als erstes die offenbar perfekte Marina zu sehen. Wir wollen es genau wissen und stellen mit Erleichterung fest, dass sie wirklich alles zu bieten hat, was man auf einer längeren Reise braucht, außer Diesel an der Tankstelle. Der wird von einem fahrbaren Dieseltanker direkt zum Boot gebracht. Die Setur Ayvalik Marina liegt günstig auf dem Kurs nach Norden. Hier kann man eine Verschnaufpause einlegen bevor es gegen den aus den Dardanellen herausfauchenden Nordwind weiter geht. Einige Yachten wechseln von hier auch zu den griechischen Inseln hinüber Ayvalik ist Port of Entry. Die Marina macht einen gepflegten Eindruck. Ein Restaurant mit Bar gehört dazu und vor allem ein 88t-Travellift mit großem Stellplatz und Werkstätten. Die 250 Muringliegeplätze im Wasser sind alle belegt. Wer einen Liegeplatz in Ayvalik buchen will, muss sich vorher anmelden. Jahresverträge werden zur Zeit nicht abgeschlossen. Entspannung erhofft sich der rührige Marinachef Zafer Ergül von der neuen Marina bei Altinova (39°13’48 N 26°45’20 E) ein paar Seemeilen südlich von Ayvalik außerhalb des Archipels. Davon ist auf Google allerdings bis jetzt nur eine Sandbarre und ein langer, noch jungfräulich daliegender Strand zu erkennen.
Wir überqueren den Golf von Edremit und kreuzen unter Vollzeug in die nördliche Meerenge zwischen der türkischen Küste und Lesbos. Eine Delphin-Großfamilie begleitet uns über eine Stunde lang. Wir haben den Eindruck, als wollten sie das Boot auf den rechten Kurs ziehen, immer sind zwei "Lotsen" direkt unter dem Kiel und geben die Richtung vor vielleicht an der Untiefe Müsellim Kayisi vorbei, die mitten in der "Teufelspassage" genannten Enge liegt. Doch so weit wollen wir noch gar nicht. Am Nachmittag erreichen wir - vom Google-Print animiert - Behramkale (39°29’2 N 26°20’5 E), trauen uns aber dann doch nicht in den kleinen Hafen einzulaufen die Einfahrt ist zwar 4 Meter tief, aber innen wird es sichtbar flacher und Ausflugsboote fahren ständig ein und aus. Wir lassen vor der Mole den Anker fallen und achten sorgfältig auf die unter Wasser liegende antike Mole östlich des Hafens, die im Google Screenshot gut zu erkennen ist. Den kleinen Ort mit seinen hübschen Natursteinhäusern erkunden wir mit dem Dingi und segeln anschließend bis zur 5 sm westlich gelegenen Bucht Sivrice Koyu weiter. Nicht weit über Behramkale liegt Assos. Das antike Therater ist deutlich auf Google zu erkennen. Hier zeigt sich eine weitere Stärke von Google Earth: Beim Heranzoomen des Satelliten-Ausschnitts lassen sich zahlreiche Fotos vom Theater, der Stadtmauer und den Überresten der Burg anklicken, die teils gute, teils amateuerhafte Fotos von den Attraktionen zeigen. Bei den Häfen ist es ähnlich: sie lassen Häuser, Hafenbecken, Fähranleger erkennen - derart viele Ansichten von einen einzigen Ort kann kein gedruckter Törnführer abbilden, auch wenn Qualität und Motivwahl manchmal dürftig sind und die Platzierung nicht immer ganz exakt ist. Auch ein Link zu Wikipedias Lexikon mit Erklärungen zum Ort ist vorhanden. Bernd aus München, Skifahrer und Bergwanderer, meint wir sollten hinauf steigen. Doch Navigator Franz fürchtet, dass der Wind zunimmt und wir auf dem offenen Ankerplatz nicht sicher liegen. Der Blick von dort oben auf das schimmernde Meer und die im Sonnenlicht flimmernden Insel Lesbos soll phantastisch sein.
Am nächsten Tag runden wir Babakale, das Kap, an dem die türkische Küste einen 90°-Knick macht und ab hier nahezu von Süd nach Nord verläuft. Neu ist der durch eine Mole vergrößerte Hafen direkt am Kap - auf Google Earth deutlich und gut zu sehen. Hier können auch größere Yachten einlaufen und im geräumigen Hafenbecken ankern oder - wenn nicht gerade die Fischerflotte alle Plätze belegt - mit langen Leinen zu den Steinen festmachen. Bei Meltemi ein nützlicher Platz. Wir drehen eine kurze Runde durch den Hafen, messen die brauchbaren Tiefen aus, und segeln weiter, Kurs Norden. Der Wind, der in der Lesbos-Meerenge normalerweise mehr aus Westen kommt, springt laut Seehandbuch ab dem Kap auf Nord um und die Kreuzerei gegenan kann mitunter zu einer harten Bolzerei werden. Nicht für uns. Bisher hatten wir Glück mit dem Wind und konnten die meisten Strecken überraschend gut segeln. Das Glück bleibt uns treu, der Wind kommt mit 4-5 aus Westnordwest, so dass wir unser Tagesziel, die Insel Bozcaada, direkt anliegen können.
Bozcaada heißt in der Ilias Tenedos. Hier verkrochen sich die Griechen mit ihren Schiffen, bis die Trojaner das hölzerne Pferd in die Stadt gezogen hatten. Vor wenigen Jahren war die Insel militärisches Sperrgebiet, doch jetzt dürfen Yachten an der Innenmole anlegen ein Höhepunkte der Reise gegen den Wind nach Istanbul. Die Insel ist ein kleines Paradies an der Pforte zum Marmarameer. Die Menschen haben ihre Häuser schöner als anderswo hergerichtet und angemalt - man meint auf einer griechischen Ägäisinsel zu sein. Liegt es daran, dass auf dem felsigen Eiland Wein angebaut wird, der den Charakter der Bewohner dem Schönen und Heiteren zugänglicher macht? Der innere kleine Fischerhafen mit den Restaurantstühlen direkt an der Hafenkante, aber auch die Gassen mit den schmucken Pensionen oben am Berg erinnern an griechische Tavernen und an Weinausschänke am Neusiedler See. Das beherrschende Kennzeichen des weinreichen Ortes sind die mächtigen Mauern der venezianischen, später von den Osmanen übernommenen und ausgebauten Burg.
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