Der Insider


Abenteuer mit der YESIM

Dieser Bericht einer abenteuerlichen Fahrt in den Gökovagolf stammt von Günter und Ute, die gemeinsam den Versuch wagten, mit einem Schiff, das mehr das machte, was es wollte, als das, was sie wollten, dem sommerlichen Bodrum zu entfliehen

In diesem Jahr bot sich uns eine überraschend neue Gelegenheit, den Trubel der Stadt hinter uns zu lassen, nachdem uns Öznur ihr Schiff mit dem wohlklingenden Namen YESIM, was "Jade" bedeutet, zur Verfügung gestellt hatte. Zunächst eine kurze Beschreibung der YESIM: Sie ist etwa 9 Meter lang, aus Holz gebaut wie eine Gulet, ein Einmaster, hat Genua- und Hauptsegel, eine geräumige Masterkabine im Bug, zwei Schlafplätze im Salon, vier Sonnenmatratzen, sechs Sitzplätze am Heck, Küche, WC/ Du - und Kühlboxen für Stangeneis.

Man kann also getrost behaupten, dass die YESIM einmal ein hübsches Boot war, das in den vergangenen Jahren allerdings nicht die nötige Aufmerksamkeit erhielt. Derzeit wird es als schwimmende Pension von zwei Jungs genutzt, die in dem Lebensmittelladen nebenan arbeiten und ihr Bett somit vor der Haustür haben.

Öznur war ganz glücklich, als wir anfragten, ob wir das Boot einmal nutzen könnten, nachdem unser Freund Hendrik aus Hamburg im Juni in Bodrum war, der gerade sein Kapitänspatent mit Bravour erworben hatte und natürlich stark interessiert war, seine frischen Kenntnisse in der Praxis der Ägäis umzusetzen.

Die ersten gemeinsamen Tagestouren zeigten uns sehr schnell, dass Theorie und Praxis zwei paar Stiefel sind und vor allem, dass ein sog. Langkieler, wie die YESIM, bei Rückwärtsfahrt letztendlich macht was sie will – steuert man nach rechts, fährt sie nach links oder umgekehrt. Eine Regel gibt es nicht; es hilft nur Gefühl und Übung, genaue Beobachtung des Windes, der Strömung und der Wellen - und vor allem Geduld.


Hendrik war wieder abgereist, so fragten wir uns, ob wir Zwei das Boot auch gemeinsam bedienen könnten und kamen zu dem Ergebnis - wir können. Ute ist bekanntlich praktisch veranlagt und hat sich bei früheren Segeltörns schon als vielseitige Skipperin bewährt. Mein schwedisches Kapitänspatent lieferte die Legitimation zum Fahren der YESIM.

Am 21.07. war es dann so weit, alle Vorbereitungen waren getroffen. Wir wollten einige Tage in den Gökovagolf.

Hinter Bodrum setzten wir die Genua, segelten an Karaada, der Schwarzen Insel, vorbei gen Osten, bis der Wind abflaute und dann ging es unter Motor weiter. Wir ließen die Sea Garden Anlage hinter uns und steuerten die Bucht bei Alakizlar an, die neben klarem Wasser auch noch lohnenswerte Ruinen aus byzantinischer Zeit bietet.

Gegen 14.30 warf Ute den Anker. Dann kam sie nach achtern, um ins Wasser zu hüpfen und die Heck-Leine an einem Stein zu befestigen, als ihr Blick nochmals dorthin fiel, wo die Ankerkette befestigt sein sollte. Doch dort war nichts: die gesamte Kette war davon gerauscht und mit dem Anker voran in der Tiefe des Meeres verschwunden.

Unsere Tage auf der YESIM schienen damit bereits vorzeitig beendet zu sein. Da es zu tief war zum Tauchen und es auch bereits dämmerte, fuhren wir zurück in Richtung Bodrum. Der Wind hatte ausserhalb der Bucht stark zugenommen und 6 Beaufort bliesen uns direkt in die Nase. Nur langsam kamen wir voran. Als wir wieder Handy-Empfang hatten, informierten wir Öznur, dass der Anker entwischt sei. Erstaunt erfuhren wir, dass es auf dem Boot noch einen Ersatzanker gab, den wir auch fanden und mit der 60 Meter langen Leine verbanden, die ebenfalls an Bord war. Erschöpft, aber auch glücklich über den Ersatzanker, ließen wir ihn in der Pabuc-Bucht neben dem Sea Garden Hotel zu Wasser. Diesmal versäumten wir es nicht, das Kettenende ordentlich zu sichern, damit uns der Ersatzanker nicht auch noch davon rauschte.

Ruhe kehrte dennoch nicht ein. Es war nicht zu übersehen, dass der Anker nicht hielt und so entschlossen wir uns den Ankerplatz zu wechseln und den Anker nochmals an einer anderen Stelle zu werfen, bevor es endgültig dunkel wurde. In einer Nebenbucht versuchten wir es noch zweimal. Nachdem es stockdunkel geworden war und Ute vom langen Schwimmen und Leine-an-Land-befestigen usw. sichtlich erschöpft war, gaben wir uns zufrieden. Der Sturm hatte nachgelassen und sich bis auf einige Böen gelegt.

Ute, die sonst so vorzüglich kocht, war an diesem Abend zu keinem opulenten Abendessen mehr zu bewegen – der Appetit war ihr vergangen und sie fand auch keinen richtigen Schlaf aus Sorge um den kritischen Ankerzustand. Nach ihrer glaubhaften Aussage am nächsten Morgen soll ich hörbar tief geschlafen haben. Der positive Aspekt von Utes Wachzustand war schließlich, dass sie durch intensives Nachdenken herausgefanden hatte, warum der Anker nicht richtig gegriffen hatte: die Querstange, die dem Anker die Richtung verleiht, war nicht richtig positioniert. Als der Anker endlich wieder oben war, brachte sie dies rasch in Ordnung.

Für den zweiten Tag hatten wir uns vorgenommen, den verlorenen ersten Anker zu suchen. Wir steuerten die bekannte Alakizlar-Bucht an, ankerten an der gleichen Stelle wie am Vortag und ich entdeckte die verlorene Kette auch in einer Tiefe von gut 10 Metern, was für mich ohne Sauerstoffgerät zu tief zum Tauchen war. Wir genossen den Tag dennoch bis wir am späten Nachmittag bemerkten, dass ELIFSU II, eine Bodrumer Gulet, bei der Abfahrt mit ihrem Anker eine fremde Kette hochzog. Für die Bootsleute war die Kette nicht sonderlich interessant und so liessen sie sie wieder ins Wasser gleiten.

Ich ging sofort auf Tauchstation, denn es war zweifellos unsere Kette - mit Anker. Der Vorteil war: jetzt lag die Kette nur noch auf etwa 6 m Tiefe. Wir verlagerten unseren Ankerplatz sofort, so dass wir über der verlorenen Kette zu liegen kamen. Am nächsten Morgen nach Sonnenaufgang tauchte ich hinab, zog ein dünnes Seil durch die Kette und der Rest war nur noch eine Kleinigkeit. Morgenstund hatte wieder einmal zwar nicht Gold, aber einen Anker mit Kette im Mund.

Wir steuerten nach Çökertme, bekannt wegen Kaptan Ibrahims Restaurant, legten uns ohne Anker an den sicheren Steg, wurden herzlich willkommen geheissen, genossen den Abend und schliefen prächtig. Auch den folgenden Tag und Abend verbrachten wir an diesem Liegeplatz, unternahmen einen ausgedehnten Spaziergang, trafen diverse Kapitäne wie Hüseyin aus Yakaköy, Sari Mehmet von der FLAS, ebenso Turhan aus Milas und Marion, die mit einem Kat unterwegs war.

Am nächsten Morgen früher Start, zurück in Richtung Bodrum, Badepause in der glasklaren Tavsan-Bucht. Am Nachmittag fuhren wir bei starkem Wind näher an Bodrum heran und ankerten in die Bucht neben dem Club M. Hotel.

Die Segel hatten wir nicht mehr gesetzt, nachdem wir den Riss am Mastfuß festgestellt hatten. Die Pumpe, die das Wasser, das sich im Kielraum sammelte, auszupumpen hatte, musste jetzt alle zwei Stunden eingeschaltet werden. Ute kam auf die Idee, in dieser Nacht mit Taucherbrille und Schnorchel zu schlafen, was wir dann allerdings doch unterliessen - es wäre vielleicht doch etwas zu übertriebene Vorsicht gewesen. Das WC brachten wir auch wieder in Ordnung. Viele Schrauben mussten nachgezogen werden und Ute sah ich häufig beim Putzen, was kein Luxus war. In der Bucht vor Bodrum genossen wir die YESIM noch bis zum frühen Abend. Wir hatten sie ins Herz geschlossen und planten die nächsten Unternehmungen.

Gegen 18.30 starteten wir den Motor, um in den Hafen zurück zu motoren. Aber er sprang nicht an. Nach mehreren Versuchen klappte es schließlich doch noch, aber aus dem Motorraum quoll weißer Rauch, der uns auf der letzten halben Stunde bis in den Hafen begleitete. Die Bilgepumpe schöpfte unentwegt Wasser und wir stellten sie erst im Hafen ab. Das Einparkmanöver klappte erstmals perfekt.

Wir haben uns entschlossen, die YESIM wieder im Hafen ruhen zu lassen, obwohl wir schöne und aufregende Tage mit ihr verbracht hatten. Wir haben viel gelernt. Aber sie ist uns nicht sicher genug.