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Der Insider
- - Behörden sind ratlos und Hersteller haben keine Lösung
Mai 2011

Die Situation im Golf von Fethiye verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Wer vor Ort ist kann beobachten wie die großen Schiffe (vor allem Tagesausflugsboote, Gulets und Motoryachten) während ihrer Fahrt quer über den Golf die Grauwassertanks öffnen und den Schmuddelinhalt frei nach der Devise "auf hoher See" ins Meer ablassen. Die Tagesbrise verschiebt dann die oft riesigen Blasenteppiche je nach Windrichtung mal in die Buchten auf der Westseite des Golfes, mal zur Küste an der Nordseite, mal an die Ostküste. Auch die Buchten um die Insel Gemiler einschließlich dem Strand von Ölü Deniz bleiben nicht verschont.




Wie zu hören ist, versickert die Initiative der Behörden im Kompetenzgerangel und wohl auch in der Einsicht, dass das Abpumpkonzept via Bluecard nicht praxisgerecht ist. Der einzig vernünftige Ansatz, sich nicht auf das Abpumpen der Tankinhalte zu fokusieren, sondern auf das was in die Tanks hinein geht, ist bei den Verantwortlichen noch nicht erkannt worden. Dabei ist das Konzept in sich schlüssig und logisch, und liegt in türkischer, englischer und deutscher Sprache vor. Siehe Oceanclean.

Bereits im Januar 2010 wurden auf der BOOT in Düsseldorf Gespräche mit Firmen, die sich mit Wasseraufbereitung und Wasserentsorgung beschäftigen (Katadyn, Captainreents, Epifanes, Koesling, Dr. Keddo und anderen) zum Thema "Meeresverschmutzung" geführt. Sowohl Chemiker als auch Marketingspezialisten zeigten sich problemoffen und wollten sofort den Markt, der sich für neue Produkte unter dem Arbeitstitel "Ocean Clean" ergibt, ins Visier nehmen.

Leider hat bisher keine einzige Firma Lösungen angeboten. Dr. Freyschmidt, ein engagierter und umweltbewusster Segler hat nun eine intensive Korrespondenz mit der Firma Henkel in Düsseldorf geführt, die wir hier im Wortlaut widergeben:


Lieber Herr Hinnerkopf, ich möchte Sie in der "Grauwasser"-Angelegenheit über meine Korrespondenz mit der Schwarzkopf & Henkel GmbH informieren.

Es hat nun doch viele Wochen gedauert, bis man mir die letzte und nun wohl entscheidende Auskunft gegeben hat. Anfang Februar, hatte ich lediglich auf der Suche nach umweltfreundlichen Produkten die Fa. Henkel angeschrieben. Die Antwort ließ sehr lange auf sich warten. Nachdem man aber von dort schließlich auf die "völlige Unbedenklichkeit" der Produkte hingewiesen hatte ("Sie können daher alle Produkte aus unserem Hause bedenkenlos bei Ihren Segeltouren verwenden. Eine Beeinträchtigung des Meerwassers ist dabei nicht zu befürchten."), habe ich mich nicht zufrieden geben können und erneut - jetzt zweifelnd - nachgefragt.

Letztendlich erhielt ich doch eine ebenso umfassende, wie für uns unbefriedigende Antwort, die ich unten angehängt habe. Die davor stattgehabte Korrespondenz ist anschließend kopiert. Vielleicht ist es ja, falls nicht schon bekannt, auch für Sie von Interesse, wie sich eine große Herstellerfirma von Kosmetika zu dem Problem "Grauwasser" äußert. Ich selbst hätte gedacht und gehofft, dass man da schon etwas weiter ist und etwas Umweltfreundlicheres erfunden hätte.
Herzliche Grüsse
R.Freyschmidt





An: Dr. Freyschmidt Datum: 15.03.2011 14:12
Betreff: Kontakt - www.henkel.de

Sehr geehrter Herr Dr. Freyschmidt,

es tut mir sehr leid, dass ich mich erst heute wieder bei Ihnen melde.

Zuerst einmal möchte Ihnen versichern, dass wir bei Schwarzkopf & Henkel mit hohem Aufwand versuchen, unsere Kundinnen und Kunden so gut wie möglich zufrieden zu stellen. Denn jede Anfrage nehmen wir grundsätzlich sehr ernst.
Ich kann mich daher bei Ihnen für die späte Antwort nur entschuldigen. Aber ich kann Ihnen jetzt endlich eine Antwort liefern

Henkel und Nachhaltigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Unser Unternehmen ist eines der Pioniere in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die Inhaltsstoffe für unsere Kosmetikprodukte, aber auch für unsere Wasch- und Reinigungsmittel werden auch hinsichtlich ihrer sehr guten biologischen Abbaubarkeit ausgewählt.

Sie können daher alle Produkte aus unserem Hause bedenkenlos bei Ihren Segeltouren verwenden. Eine Beeinträchtigung des Meerwassers ist dabei nicht zu befürchten.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Information weiterhilft.

Mit freundlichen Grüßen
Heide Ehlers
Verbraucher-Service
Schwarzkopf & Henkel GmbH





An: cosmetics@henkel.com Datum/Uhrzeit: 15.03.2011 17:38
Betreff: Aw: Kontakt - www.henkel.de

Sehr verehrte Frau Ehlers,

vielen Dank für Ihre Mitteilung, ich hatte schon fast den Glauben an die Seriosität Ihres Unternehmens verloren. Ihre Entschuldigung ist gerne angenommen. Gestatten Sie mir aber einige Bemerkungen dazu, die auch zu Ihrem besseren Verständnis und meiner Sicherheit beitragen sollen:

Nach Ihrer Versicherung wäre ja alles sehr einfach, wenn die von Ihnen erwähnten Produkte wirklich zu 100% "biologisch abbaubar" wären, dies auf der Packung stünde und den Kontrollbehörden im Regierungsbezirk Mugla/Türkei auch dadurch bekannt gemacht werden könnte. Von wenigen Produkten in der Türkei, wie auch von Produkten aus deutscher Produktion wird zum Beispiel von "98% biologischer Abbaubarkeit" bereits als sehr positivem Kriterium gesprochen. Und wie viel % könnten Sie für Ihre Produkte einräumen?

Seit etwa einem 3/4 Jahr verfolge ich mit tausenden anderen Bootseignern die Diskussion in dem erwähnten Regierungsbezirk zur Einführung noch strengerer gesetzlicher Regeln für die sog. "Grauwasser" Entsorgung. Gemeint ist das Dusch, und Küchenspülwasser, das auf Yachten anfällt und nach Maßgabe der dortigen Regierung in Tanks aufgefangen werden und in Pumpstationen abgepumpt werden sollte. Obwohl die Yachten in der Türkei, wie auch die Meine mit "Fäkalientanks" ausgerüstet sind, müssten jetzt gesetzten Falls zusätzliche Tanks bei tausenden Yachten nachgerüstet werden.

Die deutschen Seglerorganisationen, wie auch Weltverbände, sind jetzt bemüht durch Argumente diese bereits für 2010 geplante Gesetzgebung zu verhindern. Ein Aufschub wurde zunächst erreicht. Ein wesentliches Argument war die in Aussicht gestellte Einführung/Verwendung von biologisch abbaubaren Produkten. Auf den Yachten.

Und jetzt sagen Sie: Ihre Produkte könnten bedenkenlos angewendet werden!

Ich will es gerne glauben und auch weiterverbreiten. Bitte nennen Sie mir freundlicherweise Ihre Produktnamen für - Shampoo, Duschgel, Spülmittel und Reinigungsmittel auf denen man die biologische Abbaubarkeit so vermerkt sieht, dass man dies im Bedarfs/Kontrollfall auch beweisen kann (z.B. durch Aufschrift).
Für Ihre Mühe bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
R.Freyschmidt





An: Dr. Freyschmidt" Datum/Uhrzeit: 21.03.2011
Betreff: Kontakt - www.henkel.de - Verbraucherservice Kosmetik

Sehr geehrter Herr Dr. Freyschmidt,

ich hoffe, dass ich mit meiner Antwort nun alle Ihre Fragen umfassend beantworten kann.

Gemäß der jüngsten Revision aus 2001 der internationalen Konvention zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Abfälle von 1972 (MARPOL) sind die Nationen aufgefordert die Abfallentsorgung von Booten und Schiffen strenger zu regulieren. Dabei steht das Vorsorgeprinzip am Anfang der Bewertungen. Eine dabei grundsätzlich zu klärende Frage ist die Wahrscheinlichkeit eines Umweltrisikos das durch das Ablassen von Grauwässer für marine Systeme entstehen kann. Die Beantwortung dieser Frage ist nicht trivial und ist abhängig von dem zu bewertenden Gefahrenpotential des Grauwassers (bzw. den beinhaltenden Produkten) sowie den Gegebenheiten vor Ort (wo wird das Grauwasser abgelassen).

Kosmetische Produkte zur Körperhygiene wie auch Wasch- und Reinigungsmittel enthalten eine Vielzahl von verschiedenen Inhaltsstoffen, die jeder für sich zu den Produkteigenschaften beitragen. Eine der wichtigsten Substanzgruppen dieser Produkte sind die Tenside, die waschaktiven Substanzen. Diese Substanzgruppe ist auch aus ökologischer Sicht relevant, da sie in diesen Produktgruppen für die Umwelt den größten Einfluss ausüben. Dies liegt einerseits an ihren oberflächenaktiven Eigenschaften, die zu ökotoxischen Reaktionen in wasserlebenden Organismen führen können, aber auch an den Mengen in denen sie Verwendung finden. Aus diesem Grund ist die biologische Abbaubarkeit von Tensiden eines der wichtigsten Kriterien bei der Bewertung von Umweltrisiken durch Tenside. Für Wasch- und Reinigungsmittel ist die biologische Abbaubarkeit in der EU eindeutig durch die Detergentienverordnung (648/2004/EC) geregelt. Tenside in den genannten Produktgruppen müssen schnell und vollständig biologisch abbaubar sein. Das bedeutet, dass auch die im Abbauprozess entstehenden Zwischenprodukte problemlos weiter abgebaut werden, so dass letztlich die Tenside vollständig zu Mineralisationsprodukten (Kohlendioxid, Wasser, anorganische Salze) und bakterieller Biomasse (end-)abgebaut werden. Für viele der von uns eingesetzten Tenside haben wir schon früh umfassende Untersuchungen durchgeführt, die belegen, dass der biologische Abbau wie oben beschrieben zu keinen umweltstabilien Nebenprodukten führen wird (z.B. Gerike, P. ; Holtmann, W. ; Jasiak, W. 1984. A test for detecting recalcitrant metabolites. Chemosphere 13, (1) S. 121-41). Für kosmetische Produkte der Körperhygiene ist die Forderung der biologischen Abbaubarkeit durch das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz in Deutschland übernommen.

Nach der gültigen EU Detergenzienverordnung bilden Screeningtestmethoden im Süßwasser die Grundlage der Abbaubewertung von Tensiden. Eine wissenschaftliche Studie des Europäischern Center für Ökotoxikologie und Toxikologie von Chemischen Stoffen (ECETOC) hat jüngst gezeigt, dass sich diese Bewertungen auch auf marine Systeme übertragen lassen (ECETOC, 2009, Technical Report 108). Es ist daher davon auszugehen, dass die als gut abbaubar bekannten Tenside, die über Grauabwässer in die marine Umwelt entlassen werden, dort ebenfalls gut und schnell biologisch abgebaut werden.

Um den umweltverträglichen Einsatz großer Mengen von konsumentennahen Produkten wie Wasch- und Reinigungsmitteln oder Kosmetika in unserer modernen Gesellschaft zu gewährleisten ist in der EU für die Entsorgung von Haushaltsabwässern an Land eine adäquate Klärung vor dem Einleiten in Oberflächengewässer vorgeschrieben (91/271/EC). Dieser Schritt reduziert potentiell kritische Inhaltsstoffe auf ein umweltverträgliches Maß. Eine solche - meist biologische - Klärung von Abwässern auf Yachten und kleineren Booten ist in der Regel aus technischen Gründen nicht möglich. Dem nach internationaler Konvention anzuwendenden Vorsorgeprinzip kann daher für das Ablassen von ungeklärten Grauwässern aus Yachten nur entsprochen werden, wenn die Konzentration solcher Inhaltsstoffe in der Umwelt gering gehalten wird.

Bitte beachten Sie daher, dass sich die Aussage unseres ersten Schreibens vom 15. März 2011 nur auf die Bedingungen auf offener See bezog. Nur unter diesen Voraussetzungen können unsere Produkte in der von Ihnen angesprochenen bestimmungsgemäßen Verwendung auf Yachten unbedenklich eingesetzt und über das Grauwasser wie üblich entsorgt werden.

Anders ist die Situation in Häfen und kleinen Buchten, in denen möglicherweise viele Boote eng zusammen liegen und der Austausch des Wassers mit dem offenen Meer stark verringert ist. Hier kann eine ausreichende Verdünnung des Grauwassers nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden und der biologische Abbau ist ggf. nicht ausreichend schnell, um Effekte auf die Umwelt auszuschließen. Daher ist eine Verklappung des Abwassers aus Yachten nur auf hoher See anzuraten. Sie werden verstehen, dass dieser Aussage möglicherweise gegenläufige nationale und internationale Bestimmungen grundsätzlich zu beachten sind.

Bitte berücksichtigen Sie darüber hinaus, dass unsere Stellungnahme nicht Produkt-spezifisch ist, sondern auf dem Prinzip der Dosis/Wirkung beruht, dem jeder Stoff in unserer Umwelt unterliegt.

Sollten Sie noch weitere Fragen haben, sprechen Sie mich bitte an.

Mit freundlichen Grüßen
Heide Ehlers
Verbraucher-Service
Schwarzkopf & Henkel GmbH


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