CockpitTalk
Bitte nicht so hektisch!

Eine junge Türkin beschreibt was sie mit Deutschen an Bord einer Segelyacht erlebt hat. Sie lernte dabei gute, aber auch manch seltsame Eigenart unseres Charakters kennen.


Ich bewundere eure gründliche Vorbereitung. Kaum jemand ist gekommen, der nicht ein Buch über unser Land und die antiken Stätten dabei hatte. Ihr seid neugierig und wollt immer sehr viel wissen und lernen. Manchmal hat es mich gestört, das ihr euch mehr für das, was in den Büchern steht, interessiert habt, als für die Wirklichkeit.


Ich glaube, manche von euch sind überrascht gewesen, dass die Häuser bei uns richtige Fenster und Türen haben, dass die Bauern ihre Felder ganz normal bestellen, dass auch bei uns die Milch in Tüten verkauft wird, und dass nicht alle Frauen mit Kopftüchern herumlaufen.

Was mir gut gefallen hat war, dass manche von euch so freundlich von den Erlebnissen erzählt haben, die sie mit Türken in Deutschland hatten. Ich denke an Sigrid, die Lehrerin, die türkische Kinder in ihrer Klasse unterrichtet und sehr lieb von ihnen gesprochen hat.

Ich bin nicht sicher, ob ihr nicht manchmal gedacht habt: "Na ja, die Ayse ist ja eine halbe Deutsche; sechs Jahre Karlsruhe und dann mit einem Deutschen verheiratet, das verändert." Stimmt. Trotzdem bin ich in meinem Herzen zuerst Türkin, und deshalb hat, es mir immer besonders gefallen, wenn ihr meine Heimat schön gefunden habt. Die Landschaft, die Berge, das Meer und auch die Leute, besonders auf den Dörfern, wenn sie uns zum Tee eingeladen haben oder wir ein Basilikumsträußchen oder ein paar Tomaten geschenkt bekamen. Da war ich dann immer stolz und habe gedacht: Durch die Deutschen erlebe ich meine Heimat noch bewusster.

Schön waren die Stunden mit Evi, Gudrun, Annemarie, Rosemarie, Luise, wenn wir miteinander gesprochen haben und unser Boot sanft durch die Wellen geglitten ist. 'Frauengespräche' habt ihr Männer gesagt. Diese Zeit möchte ich nicht missen. Ich werde sie als besonders schön in Erinnerung behalten.

Dass ich manchmal ein bisschen Angst hatte, wenn der Wind zu stark wurde, wisst ihr. Aber auch einige von euch hatten manchmal ein bisschen Angst, manchmal sogar mehr als ich.

Lustig war es immer mit Josef, wir haben viel gelacht. Gut fand ich auch, wie Hannelore, Elke und Jürgen sich mit dem taubstummen Mädchen in der Kargibucht unterhalten haben, mit Händen und Grimassen, und dass Dr. Jürgen und Schwester Elke den Fischer mit dem geschwollenen Fuß so gut verarztet haben. Schön war auch, wie sie sich über das Honorar, ein Glas Honig und eine Tüte Mandeln - gefreut haben.

Nicht so gut fand ich eure Hektik. Ich hatte oft das Gefühl, ihr habt einen Motor in euch, der euch Tempo macht, sogar hier im Urlaub. Ihr könnt nicht einfach dasitzen und nichts tun. Warum ist das so schwer? Immer müsst ihr an den Segeln rummachen, Mann-über-Bord-Manöver üben und so weiter. Nur wenn ihr ein Ziel habt, seid ihr zufrieden. Aber ich kenne das: Mein Mann ist auch so.

An Land in den Restaurants war ich oft nervös. Weil ich gespürt habe, dass euch alles nicht schnell genug geht. Bei uns geht alles langsam, besonders das Essen.

Aber wir haben vielleicht auch mehr Zeit. Oder nehmen sie uns wenigstens. Wenn ihr an Bord kommt, wollt ihr schon gleich los. Warum? Seid doch erst mal froh, dass ihr da seid!

Mit dem Boot habt ihr keine Probleme, ihr seid alle gute Segler. Und auch gute Kameraden. Ihr packt mit an, auch in der Pantry, auch die Männer, sogar beim Kochen. Das finde ich wirklich prima. Meine Landsleute würden das nicht machen. Die lassen sich lieber bedienen. Aber ich finde auch, Mitmachen gehört zum Bootsleben. Überhaupt Männercrews: ihr wart immer sehr hilfsbereit und nett. Das hat mir gut gefallen.

Ich will gerne wieder mit euch segeln. Dann sollten wir Keyif-Törns machen. Einfach so dasitzen, schauen, die Sonne genießen, das Meer, die Buchten, den Zikaden zuhören, den Piniendurft riechen, wirklich nur das tun, was notwendig ist. Ein Segelboot ist ein gutes Medium fur Keyif, die türkische Art zu meditieren, ohne sich von der Welt abzuwenden.

Noch etwas verstehe ich nicht: Warum wollt ihr immer alles ändern? Ich finde auch, dass bei uns die Telefonkabel so wirr in der Luft rumhängen, manchmal die Tische wackeln, auf den Stegen Bretter fehlen und vieles improvisiert und halbfertig ist. Aber warum müsst ihr das ausgerechnet in Eurem Urlaub ändern wollen? Warum könnt ihr das nicht einfach übersehen?

Wahrscheinlich fehlt euch ein wenig von unserer Gelassenheit, und uns ein wenig von eurem Schwung.



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