Die türkische Streetfood-Küche hat mehr zu bieten als Döner-Kebap: Besser als Hamburger und Pizza-to-go 26.11.2014
Wer aus den Städten des Nordens an die türkische Küste kommt, wundert sich: zuhause gibt es an jeder Ecke Döner-Kepab, hier in der Türkei dagegen findet man den rotierenden Fleischspieß keineswegs so oft. Dagegen ist die schnelle Küche, zeitgemäß Streetfood genannt, mit ihren auf fantasievollen Dreiradkarren und wackligen Klapptischen angebotenen Leckereien ein neuer Gastronomiezweig, der vor allem im hektischen Istanbul entstanden ist und nun auch in die Touristenorte an der Küste herunter schwappt. Waren es vor Jahren nur Sesamkringel und Sandvichtoaster, bieten heute die mobilen Händler Gözleme, Lahmacun, Börek, Kumpir, Kokerec, gegrillte oder gedünstet Maiskolben und noch andere regionale Schmankerl feil. Afiyet olsun heißt Appetit soll sein. Wir stellen sie her einmal der Reihe nach vor.
Açma und Pogaça (Adschma + Poadscha)
Mit frischem Gebäck fängt der Tag an. Açma sind runde geschlossene Milchhefekringel aus weichem Teig, nicht zuckersüß, aber doch von leichter Süße. Der Name Açma heißt so viel wie "mach mich nicht auf!", was sehr lustig ist, denn man beißt besser in den Kringel hinein alsihn aufzureißen oder zu zerrupfen.
Pogaça ist der Sammelbegriff für Hefeteilchen, unseren Hörnchen verwandt, nur dass ein Pogaça entweder sade - einfach nur so - oder gefüllt mit Käse, Hackfleisch, Oliven, Kartoffeln und was weiß ich noch allem in jeder Pastanesi oder in den Brotschränkchen beim Bakal morgenfrisch angeboten werden. Dazu ein frischer çay und der Tag kann gut fundiert beginnen. Kahvalti (türk. Frühstück) setzt sich übrigens zusammen aus kahve (= Kaffee) und alti (= unten oder unten drunter), was so viel heißt wie, man soll unter dem Kaffee eine magenfreundliche Grundlage schaffen. Ein Açma oder ein Pogaça eben.
Simit
Simit ist ein knuspriger, dunkelbraun gebackener Hefeteigring, der rundum mit Sesam bestreut wird und neben dem çay das türkische Stehfrühstück schlechthin ist - ähnlich wie die Brezel in Bayern, nur dass ein Simit viel besser scheckt (hm - 'tschuldigung ;-)
Simit sind zwischen Istanbul und Erzurum an den unglaublichsten Stellen zu finden: beim firinci (Bäcker) natürlich, aber auch an jeder Straßenecke auf kleinen, mobilen, überdachten Dreiradwägelchen, in Straßenbüdchen, auf wackeligen Klapptischchen und auf Busbahnhöfen, von schlaksigen Jungs auf einem Holzbrett als Simit-Turm auf dem Kopf balanciert.
Die ersten Simits gab es schon am Sultanshof am Bosporus. Im Gepäck der Janitscharen fand der Sesamkringel auf den Eroberungszügen der Osmanen bald im gesamten Balkan Liebhaber. Die Zutaten sind simpel: Hefe, Wasser, Mehl, Salz und Sesam - der Teig ähnelt dem von Brezeln. Er wird gerollt und zu Ringen geschlossen, dann eine halbe Minute in kochendes Wasser getaucht, in Sesam gewendet und im Ofen gebacken. Wichtig ist die aufgeplatzte knusprige Kruste, und das weiche Innere. Traditionell wird ein Frühstücks-Simit mit Schafskäse und Oliven serviert. Aber auch aufgeschnitten und mit allem Möglichen gefüllt. Am beliebtesten sind weißer Käse und Tomaten.
Gözleme
Frauen, die in kleinen Gassen in Schaufenstern vor runden, schwarzen, leicht konvex gebogenen Heizplatten hocken und mit fingerdickem Holzstab auf runden Holzbrettern Teig hauchdünn ausrollen und mit weißem Käse und Petersilie bestreuen, machen Gözleme. Der Teig besteht nur aus Mehl, Salz und Wasser.
Die extrem dünn ausgerollten Fladen werden mit der gewünschten Füllung - kleingehacktem weißem Käse mit frischen Kräutern, vor allem Petersilie, aber auch Dill oder frischem Spinat, Kartoffelnstampf oder Hackfleisch belegt... ja sogar mit Nutella und anderen süßen Sachen. Anschließend werden die Ränder zugeklappt, bis rechteckige Taschen entstehen, die nun kräftig und ohne Fett - erst die eine, dann die andere Seite - auf dem heißen Blech, Saç genannt, gebacken werden. Die dabei entstehenden runden, hell- bis dunkelbraunen Blasenflecken, geben dem leckeren Straßenfeger den Namen "mit Augen schauen". Vor dem Servieren werden sie mit flüssiger Butter bepinselt.
Lahmacun(Lachmadschun)
Lahmacun ist ein Fladenbrot aus Hefeteig, das vor dem Backen dünn mit einem würzigen Ragout aus Hackfleisch, Zwiebeln und Tomaten bestrichen, dann kurz gebacken und direkt aus dem Steinbackofen heiß serviert wird. Der Name Lahmacun leitet sich ab vom aramäischen "lahm am dschun", was "Fleisch mit Teig" bedeutet. Angeblich haben schon die Assyrer ein ähnliches Gericht gekannt. Lahmacun ist im gesamten Nahen Osten verbreitet und wird immer wieder - auch anders ausprobiert - serviert.
Der Teig besteht wieder einfach nur aus Mehl, Wasser, Salz und etwas Öl. Die fertige Lahmacun wird mit viel Petersilie und Zitronenstücken serviert. Das Ganze wird dann eingerollt und aus der Hand gegessen. Wer es gerne scharf hat, schärft sie vorher noch mit rotem pul biber, scharfem Paprikapulver.
Börek
Börek ist eine türkische Variante des österreichischen Apfelstrudels mit dem Unterschied, dass Börek nicht zuckersüß, sondern käsedeftig schmeckt. Die Grundlage ist der überall angebotene Strudelteig Yufka, der mit einer Füllung aus weißem Käse oder Hackfleisch oder Spinat oder anderem Gemüse - auf jeden Fall mit viel Petersilie - schichtweise gefüllt und im Backofen durchgebacken wird, wie Apfelstrudel eben.
Eine beliebte, aber aufwändigere Variante ist das sogenannge Su böregi. Hier wird der Teig in heißem Wasser vorgesiedet und erst dann mit der Füllung versehen und gebacken.
Gut aus der Hand zu essen sind die sogenannten Sigara böregi (Zigaretten- oder Zigarren-Börek). Sie heißen so, weil fingerdicke zigarrenlange und in der Pfanne in viel Öl frittierte mit Käse und Petersielie gefüllte Teigröllchen wie Zigarren oder Zigaretten aussehen. Fertig vorbereitete Sigara böregi zum Selbstbacken sind überall im türkischen Lebensmittelhandel vorrätig.
Pide
Pide ist eigentlich kein Streetfood mehr, da ein so gewaltiges, schiffähnliches Fladenbrotstück kaum aus derHand gegessen werden kann.Man bekommtPide in kleinen schlichten Eckkneipen an kleinen Tischen serviert oder eingepacktzum Mitnehmen,wo man sie im nächsten Teehaus auspacken und zum bestellten çay verzehren kann. Die übliche Pide ist ein dickeres, weiches Fladenbrot aus Hefeteig, das in länglicher Form ausgerollt und an den Rändern nach oben umgeschlagen wird. Bug und Heck der Pide werden nun zusammengedrückt - so entsteht die Schiffsform. Gefüllt wird die Pide entweder mit Käse (Peynirli pide), mit Hackfleisch (Kasarli pide) oder mehr oder weniger vegetarisch mit Tomaten und anderen Gemüsen.
Während der Fastenzeit wird überall im Land Ramazan pide, ein mit Rauten geritztes, mit kleinen schwarzen çörek otu-Körnern (Schwarzkümmel) bestreuten, rundes und flaches Weißbrot aus Pideteig, gebacken und zum Fastenbrechen gegessen.
Kumpir
Kumpir ist typisches Streetfood, das aus großen, festkochenden Kartoffeln zubereitet wird. Diese werden in speziellen, 3-stöckigen Öfen gebacken, wobei im unteren Teil die Kartoffeln gekocht und dann im oberen Teil auf Vorrat warm gehalten werden.
Sind die Kartoffeln gar, werden sie mittig aufgeschnitten, ohne sie ganz durchzuschneiden. Mit einer Gabel wird das Kartoffelinnere zerquetscht und mit Butter und Käse durchgeknetet. Je nach Wunsch des Bestellers werden nun Oliven, Maiskörner, Gurken, Tomaten, Würstchen und viele andere kleingeschnittene und blanchierte Gemüse-Mixturen in die geöffnete Kartoffelmuschel gefüllt. Dekoriert wird das Ganze zum Schluss mit Ketchup, Mayonnaise oder Senf.
Angeblich wurde Kumpir von bulgarischen Einwanderern in die Türkei mitgebracht. Inzwischen gehört die gefüllte Kartoffeln zum festen Repertoire der türkischen Streetfood-Szene.
Kokoreç (Kokoretsch)
Nicht jeder mag es! Der Anblick lässt manchen neugierigen Nachtschwärmer flugs davon laufen. Andere wiederum lieben das exotisch Besondere an dieser türkischen Spezialität aus Schafdarm. Nach sorgfältiger Reinigung werden die Därme spulenartig auf Spieße gewickelt. Der Kern einer solchen Darmrolle und die Zwischenlagen bestehen aus Lammfett, um eine Austrocknung der Speise beim Grillen oder Braten zu verhindern. Gefüllt wird das Ganze mit klein geschnittenem, gegrillten oder gebratenen Lammfleisch mit Tomaten, Zwiebeln und Petersilie, gewürzt mit Salz, Pfeffer, Oregano und scharfem Paprikapulver.
Das fertige "Gericht" wird in halb geschnittene oder - je nach Bestellung - viertel aufgeschnittene Brote gelegt. Kokoreç sei köstlich, sagen die, die nicht davon laufen...
Köfte Ekmek
Highlight des türkischen Streetfood-Angebotes ist das Köfte Ekmek, das meist von kleinen Karren oder Minibussen direkt auf der Straße gebruzzelt, verkauft und gegessen wird. Im Grunde ist Köfte ekmek nichts anderes als Boulette oder Fleischpflanzerl oder Frikadelle auf Brot. Oder kurz und bündig: ein türkischer Hamburger.
Aber welch ein Unterschied! Ist der original Hamburger von McDonalds oder BurgerKing eine matte, lasche Sache aus weichem Brötchen und lapprigem Fleischstück, ist der türkische KöfteBurger eine knackige, knusprige, wohlschmeckende Köstlichkeit aus geröstetem türkischen Weißbrot und leckerem Hackfleisch-Köfte mit Paprika-Zwiebel-Tomatengeschnetzel und mehr oder weniger scharfen Gewürzen. "Eine der besten Lebensmittel, die du in Straßen finden kannst", erklärte mir ein türkischer Busfahrer, der herzhaft in sei Köfte Ekmek biss", am Busbahnhof in Kusadasi. "In Brot kannst haben Zwiebel, heißes Soße, Tomate, Salat, Petersil und natürli Fleisch". Man bestellt ein çeyrek (viertel) oder ein yarim (halbes) Köfte ekmek - je nach Hunger und Appetit.
Balik ekmek
gibt es nur in Istanbul! Für den Fall, dass jemand einen Stopover in der verrückten Stadt am Bosporus macht: unbedingt zur Galatabrücke am Goldenen Horn gehen und auf der Eminönü-Seite vom schwankenen Operettenschiff ein Balik ekmegi kaufen und essen. Das Fischbrot gehört zu Istanbul wie der Bosporus. Nicht einmal Döner hat eine Chance gegen Balik ekmek, dem inzwischen meist verkauften Streetfood der Stadt.
Fischfilet (meist Makrele) wird auf den beiden schwankenden Booten auf großen heißen Glutflächen gegrillt und in ein auf geröstetes aufgeschnittenes Weißbrotviertel gelegt. Zwiebeln, Salat, Tomaten und Chili kommen dazu, und ein Schuss Zitrone - fertig. Früher standen die Fischbrotverkäufer am Bosporus, das hat die Stadtverwaltung vor Jahren verboten. Nun liegen zwei Balik ekmek-Schiffe am Goldenen Horn und Einheimischen und Touristen schmeckt es. Wo die Fische her kommen? Keine Ahnung. Am Tag sollen bis zu dreitausend Brote verkauft werden...